Pragser Wildsee

Der schönste See der Welt, ein Stückchen Kanada in Europa - das Internet schwärmt in höchsten Tönen vom Pragser Wildsee, die Bilder der erfolgreichen Outdoor- und Adventureblogger auf Instagram und Co. sprechen für sich selbst. Wer sich über den See informiert, stellt schnell fest, dass es sich um die Touristenattraktion der Region schlechthin und das Mekka für Fotografen handelt. Ich mache mich also um 5:15 Uhr in der Früh auf den den Weg von unserem 30 Minuten entfernt liegenden Quartier zum Wildsee, der mitten in den Dolomiten liegt. Es ist schon ziemlich hell und ich befürchte, bereits zu spät dran zu sein. 

Es ist kurz vor 6, als ich an den riesigen menschenleeren Parkplätzen vorbeifahre, die davon zeugen, wie viel hier im Tag los sein muss. Vor allem jetzt im Hochsommer. Ab 10 Uhr werden keine Autos mehr durchgelassen, man muss mit einem Touristenbus bis unmittelbar an den See fahren. Wahrscheinlich ist die gute Erreichbarkeit und die Tatsache, dass man ohne auch nur einen Kilometer wandern zu müssen, quasi direkt bis ans Ufer gefahren werden kann ein Grund für den Hype um den See. Der Himmel ist klar und es ist windstill, meine Vorfreude steigt. Nach nur wenigen Gehminuten vorbei am Wildseehotel muss ich feststellen, dass dieser kleiner ist, als ich erwartet habe. Aber das tut seiner Schönheit keinen Abbruch. Außer mir und einem gut ausgerüsteten Fotografen ist niemand dort. Der nette Mann, der ebenfalls aus Deutschland angereist ist, war schon sehr oft zum Fotografieren hier. Ich hätte Glück, so schön sei das Licht selten. Etwa eine Viertelstunde hätte ich nun Zeit, bis das Lichtspiel der Sonne auf den Gipfeln, die sich auf der glatten Oberfläche des Sees spiegeln, wieder vorbei wäre. Na dann mal los! 

Ich bin genau zum richtigen Zeitpunkt angekommen. Kaum habe ich meine Kamera aus der Tasche geholt, beginnen die Bergspitzen rosarot zu glühen. Ein wundervoller Moment. Alles um mich herum ist still, das Naturschauspiel wunderschön. Der Steg, von dem aus die berühmten Bilder gemacht werden, ist noch zugesperrt. Kurzerhand ziehe ich die Schuhe aus, kremple meine Hosenbeine so gut es geht hoch und wate durch das Wasser. Natürlich habe ich die Tiefe unterschätzt und bis bis zum Schritt klitsch nass. Naja, was solls. Vom Steg aus kann ich dann auch die Ruderboote fotografieren, die ganz still im ruhigen Wasser liegen. Tatsächlich dauert es nur etwa 10 Minuten, bis der Wind einsetzt und das Spiegelbild der Berge im Wasser zerstreut. Ich als Amateurfotografin bin zufrieden mit meiner Ausbeute und setzte mich auf eine Mauer, um die fast hektischen drei weiteren Fotografen zu beobachten, die inzwischen eingetroffen sind. Eine halbe Stunde genieße ich noch den Morgen, um mich dann voller Glücksgefühle zurück auf den Weg zum Hotel zu machen, in dem mein Freund noch schläft. Er hat definitiv was verpasst! Als wir nach einem Badeausflug zum Antholzer See am späten Nachmittag zufällig noch einmal am Pragser Wildsee vorbeikommen, wage ich den Versuch, den See noch einmal in einem anderen Licht zu fotografieren. Doch dieser hat seinen Zauber vollkommen verloren. Massenhaft Touristen drängen sich am Ufer, zahlreiche Ruderboote wühlen das Wasser auf, es ist laut und voll. Von der magischen Atmosphäre am Morgen ist nichts mehr zu spüren. Das frühe Aufstehen hat sich also mehr als gelohnt!